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Interview mit Ivana Kovacevic

23.06.2021 - Autor:in: Ivana Kovacevic

Ivana Kovacevic ist Leiterin Fachstelle HF Pflege bei der SOdAS, der Stiftung OdA Gesundheit und Soziales im Kanton Solothurn und zudem Mitglied der Geschäftsleitung und Leiterin Aus- und Weiterbildung der Spitex Grenchen. In diesem Rahmen setzt sie sich für die Förderung der Berufe der ambulanten und stationären Langzeitpflege ein und erklärt im Interview, weshalb sie den Satz «Ich bewundere dich.» nicht mehr hören kann.

In unseren Fakecheck-Videos räumen wir mit bestehenden Vorurteilen gegenüber der Langzeitpflege auf. Karriere-Endstation, Füdliputzer, Frauenberuf, um einige zu nennen. Die Vorurteile können von einer Ausbildung oder einem Studium mit Schwerpunkt Langzeitpflege abhalten.

Bei Füdliputzer musste ich lachen, doch es ist in der Tat so. Im privaten Umfeld ist oft zu hören: «Ich bewundere dich für das, ich könnte das nicht.» Ich kann diesen Satz ehrlich gesagt nicht mehr hören. Egal welche Stufe, ob mit Diplom oder nicht, die Arbeit in der Langzeitpflege ist weit mehr als Körperhygiene.

Aus Ihrer Erfahrung: Wie verändert sich die Sichtweise der Lernenden im Verlauf der Zeit?

Die Menschen, die Berührungsängste haben, bewerben sich eher nicht bei uns. Schnuppertage und Berufsmessen sowie das Alter, in dem man rekrutiert, sind entscheidend, damit junge Menschen ein klares Bild entwickeln können. Viele bewerben sich jedoch im Spital, weil sie die Medizinaltechnik im Vordergrund sehen. Was sich dann häufig ändert, ist das Bedürfnis, menschlich und fachlich Unterstützung über eine längere Zeitspanne bieten zu können.

Gibt es Situationen, in denen Vorurteile bestehen bleiben? Wie reagieren Sie darauf?

Wie gesagt betrifft das eher das fachfremde private Umfeld. Denjenigen, die wirklich zuhören möchten, erkläre ich unsere Berufe gerne. Es ist mir wichtig, dass das Bild der Langzeitpflege in der Öffentlichkeit richtig vermittelt wird.

Dazu gehört auch das Arbeitsumfeld, das sich stark verändert hat?

Ganz genau. Die Aufgaben sind so vielfältig und hochkomplex geworden, dass es viele Spezialisierungen und damit verbunden das Personal auf Tertiärstufe braucht. Die postakute Pflege ist mittlerweile auch im Langzeitbereich ein fester Bestandteil. Durch die Entwicklung im Gesundheitswesen entlassen Spitäler und Kliniken ihre Patienten bedeutend früher als vor einigen Jahren. Durch die wachsende Komplexität in Spitex-Institutionen sowie in Alters- und Pflegeheimen, steigen auch die Herausforderungen an das Pflegepersonal. Wir betreuen Menschen mit Trachealkanülen, Magensonden, zentralen Venenkathetern, das erfordert gerade medizinaltechnisch eine hohe Fachkompetenz und gleichzeitig das nötige Feingefühl im Umgang mit den Klienten und Bewohnerinnen. Das muss endlich in die Köpfe. Ich möchte jedoch klar sagen: jede Stufe in der Langzeitpflege leistet wertvolle und unverzichtbare Beiträge für die Pflege als Ganzes. Es ist oft das Assistenzpersonal, das etwas entdeckt und dann die Pflegefachpersonen als Unterstützung holt.

Wo sehen Sie persönlich die Chancen einer Laufbahn in der Langzeitpflege?

Im Vergleich zur Akutpflege im Spital kann man in der Langzeitpflege früh und auch im Teilzeitpensum eine Führungsposition einnehmen. Ich bin selbst Mutter und das hat mich nie an der Karriere gehindert. Die Konkurrenzsituation ist etwas tiefer als im Spital. Es reizen auch die Möglichkeit zur frühen Übernahme von Verantwortung und die langfristige Betreuung von Klienten und Angehörigen.

Sie sind Leiterin der Fachstelle HF Pflege. Was kann man sich darunter vorstellen? Was sind Ihre Tätigkeitsgebiete und wie kam es dazu?

Das Angebot der SOdAS auf Tertiärstufe wurde im 2018 realisiert. Betriebe benötigen Personal mit einem eidgenössisch anerkannten Fachausweis Ausbildung von Fachpersonal auf Tertiärstufe. Das können sich viele kleine Betriebe nicht leisten. Wir bieten diese Qualitätssicherung für Spitex, Alters- und Pflegeheime und Kliniken zu einem fairen Preis an. Mittlerweile haben uns acht Organisationen mandatiert, die wir mit Knowhow, Konzepten und Coachings unterstützen. Das ist eine wichtige Massnahme, um dem Fachkräftemangel auf Tertiärstufe zu begegnen und für die fachliche Qualitätssicherung. Seit September 2018 hat die Fachstelle eine tolle Entwicklung durchgemacht.

 

«Es braucht gute Beratungsangebote für künftige Fachkräfte und deren Ausbildungsinstitutionen»

 

Welche Anlässe, Aktionen, Kampagnen, Werbemittel werden in Ihrer Region genutzt, um Menschen über die Langzeitpflege zu informieren und sie für eine Karriere in der Langzeitpflege zu motivieren? Welches sind ihre persönlichen Erfahrungen damit?

Die Gefässe wie Messen, Schnuppertage und Info-Veranstaltungen sind immens wichtig. So erhalten Interessierte gute Erfahrungen und konkrete Einsicht in den Alltag. Sie gehen mit der richtigen Erwartung in die Aus- und Weiterbildung. Was wir zusätzlich machen, ist das aktive Besuchen von FaGe-Kursen in der SOdAS. Wir wollen Fachfrauen und -männer Gesundheit früh über die Möglichkeiten der Tertiärstufe aufklären. Ich setze mich im Rahmen der Fachstelle in Beratungen auch dafür ein, dass Betriebe die Bildung auf ihrer Website professionell ausweisen und sie sich als Ausbildungsinstitutionen mit einem klaren Statement positionieren.

Sie unterstützen Betriebe in der Ausbildung von Studierenden sowohl für die Spitex als auch für Pflegeheime. Welches sind die Gemeinsamkeiten, welches die Unterschiede dieser beiden Arbeitsfelder? Eventuell auch vom Typ Mensch her der/die geeignet ist?

Generell unterscheidet sich der Typ Mensch bei beiden Gruppen nicht. Was Menschen mitbringen müssen, ist eine gewisse Reife und Reflektionsfähigkeit. Die Langzeitpflege bietet den Raum für diese persönliche Weiterentwicklung, jedoch muss der Betrieb auch eine solide Ausbildungsqualität bieten. Wenn Junge im Akutbereich beginnen und das erste Mal mit der Langzeitpflege in Kontakt kommen, bauen sie Vorurteile ab und merken teilweise sogar, dass ihnen die anderen Bereiche sehr zusagen. Die Spitex erfordert etwas mehr Selbständigkeit und somit auch Reife, weshalb viele Institutionen keine ganz jungen, beispielsweise 15-jährige Personen rekrutieren. Die Betreuung ist in Pflegeheimen engmaschiger und in schwierigen Situationen steht schneller Unterstützung bereit.

Wir reden immer davon, dass die zwischenmenschlichen Beziehungen zwischen Klient/in und Pflegefachperson wichtig sind. Wie wichtig ist der Kontakt unter den Pflegefachpersonen?

Das ist absolut entscheidend. Ausbildungsverantwortliche können viel für ein positives Betriebsklima sowie eine konstruktive Aus- und Weiterbildungskultur leisten. Es braucht Vorbilder, Austauschgefässe und konstruktive Feedbacks. Zudem setzen wir uns für Kooperationen zwischen den verschiedenen Arbeitsfeldern ein, damit wir gemeinsam wichtige Aspekte der Pflege verbessern können, zum Beispiel das Sicherstellen von genügend Fachpersonal in der Zukunft. Deshalb verfolgen wir auch das Motto: Gemeinsam statt einsam und agieren mit der Fachstelle als Vorbild. Die konstruktive und kooperative Zusammenarbeit mit der Höheren Fachschule Pflege Olten (HFPO) ist hier bedeutend. Die Fachstelle hat hier die volle Unterstützung und das Vertrauen seitens HFPO erfahren, was mir die Arbeit enorm erleichtert.

Die Nachfrage nach den Pflegeberufen hat zugenommen. Merken Sie auch, dass sich die Einstellung gegenüber der Langzeitpflege verändert? Wenn ja, inwiefern?

Ja, das merkt man. Einerseits sind unter anderem dank Corona die Leistungen der Langzeitpflege ins öffentliche Interesse gerückt. Andererseits merkt man zunehmend auch die Berufswahl aufgrund der hohen Fachlichkeit und Qualität. Aber es braucht gute Beratungsangebote der Praxis ergänzend zu den Hochschulen und die aktive Betreuung von angehenden Fachkräften sowie ihren Berufsbildnerinnen und -bildnern.

Zu guter Letzt: Was möchten Sie interessierten Personen ans Herz legen, die diesen Text lesen und sich überlegen, ob eine Karriere in der Langzeitpflege das Richtige ist?

Wenn man gute Arbeit macht, gibt es unzählige Möglichkeiten für eine Karriere in der Langzeitpflege. Die breiten Aus- und Weiterbildungsgänge bieten für fast jede/n etwas. Ich sehe es auch als Privileg, jüngere und ältere Menschen in der Langzeitpflege über lange Zeit auf ihrem Weg zu begleiten. Das ist wertvoll für die eigene Entwicklung.