Aus dem Arbeitsalltag
«Ich sehe jede Person als Individuum und kann die Bewegungsabläufe entsprechend anpassen.»
Mithilfe der angewandten Kinästhetik gibt Barbara Meier den Bewohnerinnen und Bewohnern des Pflegezentrums Lindenfeld in Suhr Bewegungsfreiheit, Selbstvertrauen und dadurch Lebensqualität zurück.
Ich arbeite schon mein ganzes Berufsleben in der Pflege, mit der angewandten Kinästhetik habe ich meinen Wunschbereich gefunden. Mich motiviert die Herausforderung einen Weg zu finden, die theoretischen Grundlagen mit der Praxis im Alltag in Verbindung zu bringen. Es war mir schon immer bewusst, dass ich mit Kleinem eine grosse Wirkung erziele. Mit der Fachrichtung Kinästhetik hat mein Tun eine Basis für angewandte Wissenschaft erhalten. Trotzdem war mein Wirkungsfeld lange nicht als eigene Spezialisierung anerkannt. Die Branche musste zuerst erkennen, dass die Kinästhetik ein unverzichtbarer Teil der Pflege ist: Man erkennt die Wirkung eben erst, wenn keine Kinästhetik angewendet wird. Deshalb konnte ich die Berufsprüfung erst vor zwei Jahren ablegen.
Kinästhetik als gelebte Lernkultur
Ich habe wegen der Arbeit lange unter starken Schulterschmerzen gelitten. Durch die Ausübung der Kinästhetik hat sich mein Körperbewusstsein stark verändert. Ich nehme mich und meine Bewegungen differenzierter wahr. Schon eine kleine Änderung im Bewegungsablauf kann eine grosse Veränderung der Lebensqualität bewirken. Für die Bewohnerinnen und Bewohner wie auch für die Pflegefachpersonen. Das fasziniert mich immer wieder. Obwohl ich heute viele Pflegeunterstützungen auch in komplexen Situationen alleine durchführe, sind meine Schmerzen weg. Das Wissen, diese Verbesserung auch anderen Pflegefachpersonen weitergeben zu können, motiviert mich.
Das Pflegezentrum Lindenfeld entwickelt fortlaufend eine Lernumgebung, die alle Beteiligten integriert. Wir lernen alle voneinander. Diese Lernkultur bereichert nicht nur unsere Zusammenarbeit, sondern das ganze Klima hier. Für die Pflegezukunft ist diese Pionierrolle in der Integration der Kinästhetik extrem wichtig. Ich hoffe, dass sich das in der ganzen Branche so etabliert.
«Schon eine kleine Änderung im Bewegungsablauf kann eine grosse Veränderung der Lebensqualität bewirken. Für die Bewohnerinnen und Bewohner wie auch für die Pflegefachpersonen.»
Bewegung schafft Vertrauen
Mein Arbeitsalltag ist sehr vielseitig, einen typischen Tagesablauf kenne ich nicht. Ich werde dort eingesetzt, wo der Bedarf am grössten ist oder einfach so, um die Mitarbeitenden beim Lernen zu unterstützen. Es kann sein, dass eine Bewohnerin auf einmal Angst hat, vom Bett zu fallen oder eine Pflegerin körperlich Mühe hat, den Transfer mit einem Bewohner in den Rollstuhl zu gestalten. Eine Diagnose darf nie isoliert im Vordergrund stehen, man muss jede Person ganzheitlich wahrnehmen. Hierbei spielt die Kinästhetik eine zentrale Rolle. Ich kann jede Person als Individuum sehen und die Bewegungsabläufe entsprechend anpassen. Ich habe oft die Erfahrung gemacht, dass mit der richtigen Unterstützung neue Wege entstehen, die Bewegungen autonomer zu gestalten. So schaffen wir Möglichkeiten, dass sich die Bewohnenden selbständig in alltäglichen Situationen zurechtfinden können.
Obwohl ich mit vielen Bewohnerinnen und Bewohnern nur kurz in Kontakt bin, entstehen ganz besondere Beziehungen. Durch die gemeinsamen Bewegungen und das Entwickeln neuer Wege baut man sofort Vertrauen und dadurch eine Bindung zueinander auf. Sie merken, dass sie durch meine Hilfe Autonomie zurückgewinnen und damit ein besseres Lebensgefühl entwickeln können.