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Nationaler Versorgungsbericht: 3 Fragen an Annette Grünig

7.09.2021 - Autor:in: Annette Grünig

Der aktuelle Versorgungsbericht für Gesundheitspersonal lässt aufhorchen. Besonders die Rekrutierung von hochspezialisiertem Fachpersonal mit entsprechendem Qualifikationsniveau ist für die Betriebe der Langzeitpflege eine Herausforderung. Was gemacht werden muss und weshalb die Zukunft doch positiv aussieht, erklärt Projektleiterin Annette Grünig.

Wie schätzen Sie die Entwicklung der Versorgungslandschaft ein?

Zwischen 2012 und 2019 ist der Bestand des Pflege- und Betreuungspersonals in den Gesundheitsinstitutionen um rund 20 Prozent gewachsen. Auch die Zahl der Ausbildungsabschlüsse konnte deutlich gesteigert werden, auf der Tertiärstufe gar um zwei Drittel. Das ist beeindruckend und ein Resultat der Anstrengungen von Bund, Kantonen und der Gesundheitsbranche. Gemäss den Prognosen des Versorgungsberichts wird sich die Steigerung des Bedarfs zwischen 2019 und 2029 ähnlich fortsetzen. Es gilt also nicht nur das Personal zu ersetzen, das aus dem Beruf ausscheidet, sondern auch den steigenden Zusatzbedarf abzudecken. Trotz der Anstrengungen und der erfreulichen Entwicklungen bei den Ausbildungsabschlüssen wird bis 2029 gemäss den Prognosen eine Lücke zwischen Angebot und Bedarf bestehen bleiben.

 

«Es braucht verstärkte Massnahmen zum Personalerhalt, sonst verpuffen die Anstrengungen in der Ausbildung»

 

Wo sehen Sie die grössten Potenziale für die Spitex und die Pflegeheime in der Rekrutierung?

Mit einem Plus von 39% fiel der Zuwachs zwischen 2012 und 2019 beim Pflege- und Betreuungspersonal im Spitex-Bereich am stärksten aus, gefolgt von den Alters- und Pflegeheimen (+17%) sowie den Spitälern und Kliniken (+13%). Bis 2029 wird der Personalbedarf gemäss den Prognosen des Versorgungsberichts in den Alters- und Pflegeheimen am stärksten wachsen (+26%). In den Spitex-Organisationen beträgt er 19%, bei den Spitälern 14%.

Der Bericht zeigt, dass die prognostizierten Ausbildungsabschlüsse bis 2029 ausreichen würden, um den Bedarf zu decken, der aufgrund der erwarteten Inanspruchnahme von Leistungen sowie durch Pensionierungen entsteht. Die Lücke ist also das Resultat von vorzeitigen Berufsaustritten und von Verlusten beim Übergang von der Ausbildung in den Arbeitsmarkt. Es braucht deshalb verstärkte Massnahmen zum Personalerhalt. Sonst verpuffen die Anstrengungen bei der Ausbildung.

Welche Massnahmen erachten Sie am dringlichsten und zielführendsten, um die Rekrutierung künftig sicherzustellen?

Wichtig sind förderliche Arbeitsbedingungen, zum Beispiel eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie sowie eine gute Begleitung in der Phase des Berufseinstiegs. Das kann beispielsweise über Mentoring-Modelle geschehen. Auch im Bereich Laufbahnplanung, berufliche Entwicklung und Talentförderung gibt es noch Potenzial. Verantwortlich für die Arbeitsbedingungen sind primär die Betriebe. Die Politik und die Behörden müssen aber die geeigneten Rahmenbedingungen schaffen und genügend finanzielle Mittel zur Verfügung stellen. Die Kantone können unter anderem ihren Beitrag leisten, indem sie die Aufwände der Betriebe für die praktische Ausbildung explizit abgelten.